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#reducefoodwaste

Von der Schale bis zum Kern – Äpfel ganzheitlich verwerten

TEXT, KONZEPT & FOTOS / NUANCEN JOURNAL

Es ist immer wieder erstaunlich, wieviele Lebensmittel jährlich im Müll landen. Ob in Supermärkten, die laut Gesetz dazu verpflichtet sind, abgelaufene Lebensmittel zu entsorgen, anstatt sie bedürftigen Menschen zukommen lassen zu dürfen (denn meistens hat ein überschrittenes Mindesthaltbarkeitsdatum nichts mit dem realen Zustand des Produkts zu tun) oder in privaten Haushalten – weil wir oft mehr kaufen, als wir verbrauchen können.

 

Nicht nur, dass wir damit ein System der Überflussgesellschaft stützen und nähren – nein, wir haben schlicht und ergreifend auch verlernt, was ganzheitliches Leben und Verwenden von Lebensmitteln überhaupt bedeutet, weil die Notwendigkeit dafür nicht mehr gegeben ist. Es gibt ja alles und davon mehr als genug. Ich höre oft den Satz, "Das kann man wirklich (noch) essen?". Manche Dinge weiss ich zugegebenermaßen selbst erst seit kurzem, weil ich mich bewusst damit auseinander gesetzt habe. 

 

Seit ich nicht mehr in Berlin, sondern außerhalb der Stadtgrenzen Wiens in einem Haus mit Garten wohne, erschließen sich mir natürlich gänzlich andere Möglichkeiten – vermeintliche Lebensmittelreste werden jetzt kompostiert. Vorausgesetzt sie können nicht weiter verwendet werden. Ob Kaffeesatz als Körperpeeling oder ph-neutralem Zusatz zu herkömmlicher Pflanzenerde und Eierschalen für weißere Wäsche – vermeintliche Lebensmittelreste werden bei mir nicht gleich Entsorgt, sondern so gut es geht weiter verwendet. Eine Sache, die ich von meinem Opa gelernt habe – Nicht nur in Sachen Lebensmitteln. Viele kleine Handgriffe, die auf den ersten Blick kompliziert scheinen, oft aber einfach nur ein wenig Routine bedürfen und schnell zur Normalität werden. Voraussetzung: Wir sind bereit unser Mind-set zu ändern.

 

Selten is es damit jedoch getan, Denn über Jahre antrainierte Gepflogenheiten sind oft schwer einfach so ad acta zu legen – selbst wenn der Wille da ist. Und dann stellt sich da noch die Frage nach dem "Wie" – das meiste davon haben wir wie gesagt vergessen, Manchmal hilft an der Stelle das Kollektiv (das ebenfalls gerne vernachlässigt wird) und schlichtweg die Inspiration durch andere. In Anlehnung an den #reducefoodwaste  Blogger Award werde ich deswegen an dieser Stelle und unter besagtem Hashtag immer wieder Tipps und Rezepte posten, die zu einem neuen Bewusstsein im Umgang mit Lebensmitteln anregen sollen und sich im Alltag ganz einfach integrieren lassen - althergebrachtes in Erinnerung an meine Großeltern, von denen viel dieses Wissens noch stammt, aber auch neu erlerntes. Vielleicht gelingt so nach und nach ein Umdenken, nicht nur in der Küche.

In der ersten offiziellen Ausgabe zu dem Thema dreht sich alles um den Apfel, der hat derzeit Saison und füllt unsere Vorratskammern bis unter die Decke – zwei ertragreichen Bäumen der Sorte Golden Delicious in unserem Garten sei Dank. Kühl, dunkel und trocken gelagert können die bis zu einen ganzen Winter überdauern. In unserem Fall haben wir sie dieses Mal aber vielleicht etwas zu spät geerntet (vor etwa vier Wochen) – die meisten sind bereits gut nachgereift und bekommen hier und da schon dunkle Stellen (kein Grund dafür einen Apfel voreilig zu entsorgen, ausschneiden tut es völlig). Bevor sie also schlecht werden, sollen sie verarbeitet werden. Da wir ein acht Monate altes Kind im Haus haben, können wir von Apfelmus im Grunde nie genug haben. Es gibt aber auch noch viele andere Möglichkeiten, den Apfel haltbar zu verwerten. Also habe ich meinem Büro für einen Tag den Rücken gekehrt, die Pause-Taste gedrückt, den Alltag Alltag sein lassen und stattdessen einen Küchentag eingelegt. Klingt nach viel Aufwand, ist es aber nur bedingt, denn so ein Tag ist in erster Linie unfassbar meditativ (wann kommen wir im Büro schon mal dazu, so lange etwas mit unseren Händen zu tun?). Wenn man ihn gemeinsam mit der ganzen Familie begeht, macht es zudem doppelt so viel Spaß. Und kulinarisch profitieren wir den ganzen Winter davon. 

 

Dabei achte ich darauf, dass beim Verwerten der Frucht eigentlich nichts übrig bleibt, zumindest in der ersten Runde nicht, denn ich verwende sowohl das Fruchtfleisch als auch Gehäuse, Kerne und Schalen auf unterschiedlichste Weise. Wie? das lest ihr hier:

 

Als erstes sortiere ich die Apfelstiegen und lege die Früchte zur Seite, die gut und gerne nochmal ein bisschen nachreifen können, damit wir in den nächsten Wochen auch noch in den Genuss von frischem Obst kommen. Die etwas angeschlagenen, überreifen Äpfel schäle und schneide ich aus. Gehäuse und Kerne gebe ich in eine Schüssel, die Schalen in eine andere, mundgroße Apfelstücken in eine Dritte – gute Organisation ist schließlich alles. Und dann geht es los.

Das Fruchtfleisch

Ayurvedischer Apfelmus, der Klassiker:

 

Klar, dass der an dieser Stelle nicht fehlen darf! Apfelmus schmeckt nicht nur großen Schleckermäulern – ob zu Kartoffelpuffern oder einfach nur pur – sondern vor allem kleinen Menschen, wie meinem acht Monate alten Sohn. Ich bevorzuge ihn klassisch und würze ihn eigentlich nur mit ein wenig Zimt und Kardamon. Beides wirkt entzündungshemmend, Kardamom ist außerdem ein super Eisenspender in der kalten Jahreszeit. Wenn man die Äpfel mit geschlossenem Deckel bei niedriger Hitze köcheln lässt, bleiben die Vitamine teilweise erhalten. Am Ende Pürieren und noch heiß in die vorher ausgekochten Gläser füllen und zuschrauben. Durch die Hitze konservieren sie sich von selbst. Et Vóila!

Apfel-Aronia-Chutney, der Exot:

 

Ich liebe Chutneys. Ich glaube das ist auch der Grund, warum ich so gerne und oft indisch esse. Ihre Saucen und Dipps sind einfach unfassbar lecker. Mein Favorit: Mango-Chutney. Danach bin ich im wahrsten Sinne des Wortes süchtig – diese fruchtige Schärfe... Das müsste doch eigentlich auch mit heimischen Früchten  gehen, habe ich mir gedacht und kurzerhand ein eigenes Rezept kreiert. Die Stars in meinem Chutney? Natürlich Äpfel! Und: Aroniabeeren, von denen wir derzeit ebenfalls mehr als genug haben.

 

Und so geht's: Zwiebeln, Knoblauch und Ingwer kleinschneiden und in einem Topf mit Raps- oder Sonnenblumenöl (ein anderes, neutrales Pflanzenöl, das sich zum Braten eignet, geht auch) anschwitzen. Mit Ingwerpulver, Salz, Cayenne-Pfeffer und Viel frischeM Chili abschmecken. Piment, Nelken, Lorbeer und eine Handvoll Aroniabeeren dazugeben, mit Apfelessig ablöschen und köcheln lassen. Anschliessend die Apfelstücke unterrühren und bei niedriger Hitze und mit offenem Deckel solange ziehen lassen bis eine gleichmäßige Masse entstanden ist (darf ruhig noch stückig sein, wichtig ist, dass die Äpfel weichgekocht sind). Abermals abschmecken und in Gläser abfüllen. Schmeckt hervorragend zu herzhaften Gerichten, denen ihr einen gewissen Twist verleihen wollt. Ich poste hier bald ein paar Beispiele.

Die Apfelschalen

Nun haben wir jede Menge Apfelschalen übrig. was tun damit? Wegwerfen? auf keinen Fall! Die Apfelschalen sind so vielseitig einsetzbar, wie der Apfel selbst und gehören alles andere als auf den Müll oder Kompost (wenn dann noch am ehesten dort hin).

 

Sinnliche Apfelduftsäckchen

 

Frische Apfelschalen eignen sich hervorragend als RaumDuft. Dafür friere ich sie einfach ein und wann immer ich es mir zu Hause gemütlich machen möchte, übergieße ich eine Handvoll in einem kleinen Gefäß mit kochendem Wasser. Der wohlig-süße Duft macht sich sofort in der ganzen Wohnung breit – ich liebe es. Für angenehm duftende Wäsche sorgen ausserdem getrocknete Apfelschalen. dazu fülle ich ein paar Schalen in ein kleines Stoffsäckchen und lege es in den Schrank – zusammen mit getrockneten Rosenblüten und Lavendel ein Traum!

 

Detox-Wasserfilter

 

Der Spruch "An apple a day Keeps the Doctor away" kommt nicht von irgendwoher, denn der Apfel ist tatsächlich ein wahrer Alleskönner, vor allem Gesundheitlichein wunderbares aroma und eine dezente Süße. macht ihm so schnell keiner etwas vor. selbst die Apfelschalen können noch Schadstoffe wie Blei und Kupfer-Rückstände aus dem Trinkwasser filtern. Einfach wasser in eine Karaffe geben und eine Handvoll Apfelschalen dazugeben – Schon nach kurzer Zeit haben die Schalen die Schadstoffe aufgenommen. Auch hierfür friere ich die Schalen für gewöhnlich ein. dankbarer Nebeneffekt: Man spart sich die Eiswürfel und das Wasser bekommt eine natürliche Süße.

 

Winterlicher Apfeltee

 

Apfeltee gibt es zwar auch im Handel, die Herstellung aus Apfelschalen ist aber so unfassbar einfach, dass du dir den fortan sparen kannst. Dafür die Schalen einfach auf einem Backpapier oder einem Küchentuch auslegen und trocknen lassen. Noch besser ist die #zerowaste Variante auf einem Baumwolltuch oder alten Eierkartons, die sich wunderbar zum Trocknen eignen. Im Sommer geht das am besten in der Sonne, im Winter kannst du die Schalen auf die Heizung legen oder die Restwärme nach dem Backen im Backofen nutzen. Wer ein Dörrgerät hat, dem leistet ein solches wahrscheinlich den schnellsten Dienst (Stromverbrauch bedenken). Erst wenn die Schalen richtig gut durchgetrocknet sind, sollten sie in ein Glas oder eine Dose abgefüllt werden, damit sie nicht schimmeln. Wer möchte, kann Zimstangen und Sternanis zu dem Tee hinzutun. Auch lecker: getrocknete Orangen, Rosinen und Kardamom.

 

 

Das Apfelgehäuse und die Apfelkerne

Auch die ausgeschnittenen Reste und Gehäuse sollten erst in letzter Instanz auf dem Kompost landen. Vorher eignen sie sich nämlich noch ganz hervorragend zum Herstellen von Apfelessig und aromatisiertem Apfelöl.

 

Apfelessig

 

Essig ist ein erstaunlich nützliches Hausmittel und auch in der Küche und im Badezimmer ein echter All-Rounder. Aus den Apfelresten lässt sich mit etwas Geduld ein hervorragender Apfelessig herstellen, den ich vor allem für selbst gemachte Putzmittel verwende. Auch wenn er damit ausschließlich äußerlich zum Einsatz kommt, ist Hygiene hier besonders wichtig, damit er nicht schimmelt. Sollte er das doch tun, nicht entmutigen lassen und noch einmal probieren.

 

Dafür die Apfelreste einfach mit Wasser übergießen, bis sie vollständig bedeckt sind. Wer möchte kann 2 El Zucker dazu geben um den Gärungsprozess zu beschleunigen. Ich verzichte darauf und warte einfach etwas länger. Das Glas vorher mit kochendem Wasser auswaschen, um es zu desinfizieren und schließlich abgedeckt mit einem Baumwolltuch (fixiert mit einem Gummiband) an einem sauberen und ruhigen Ort stehen lassen. Ab und an bewegen und die Flüssigkeit verteilen, damit es nicht schimmeln kann. Nach etwas einer Woche sind die ersten Bläschen zu sehen. Um zu kosten, wie weit der Gärungsprozess bereits vorangeschritten ist, einfach ein wenig Flüssigkeit mit einem Strohhalm entnehmen. Sobald der Essig die gewünschte Säure erreicht hat, durch ein Sieb in eine Flasche abfüllen und fertig. Im Kühlschrank aufbewahrt hält er sich ewig.

Apfelöl

 

Das Apfelöl funktioniert ähnlich wie der Apfelessig, statt Wasser verwendet man aber ein neutrales Öl, das zur äußerlichen Anwendung geeignet ist: Mandel-, Traubenkern- oder Aprikosenkernöl sind zum Beispiel perfekt. Auch Sesamöl geht, wobei das bereits einen sehr eigenen Geruch hat. Die Mischung einfach in einem Glas ein paar Wochen ziehen lassen, auch hier wieder auf Sauberkeit achten und am Ende durch ein Sieb in eine Flasche abfüllen. Eignet sich im Winter wunderbar als Hautpflege oder Badezusatz und ist ein prima Geschenk. So wie eigentlich alle hier vorgestellten Ideen.

 

In diesem Sinne: Auf die Äpfel, fertig los!

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